Kiana Reid

Familie auf Zeit: Ein Interview mit Gisela Maria Becker (Gastmutter von Kiana Reid)

Was ist Ihre Aufgabe bei dem Wettbewerb?

[Frau Becker]: Unsere Aufgabe ist es, unserer Gästin ein Ambiente zum Wohlfühlen herzurichten. Unser Klavier wurde extra gestimmt, sodass Kiana [Reid] auch eine Übemöglichkeit bei uns hat.

Wie lange machen Sie das schon?

Wir nehmen jetzt zum dritten Mal jemanden auf. Ich sehe das als Privileg, weil man dann doch oft eine längere Beziehung mit den Teilnehmer*innen eingeht, das ist sehr bereichernd.

Das ist dann also ihre Motivation, dass Sie das so bereichert, dass da immer ein neuer Gast da ist?

Ja, ist es! Wir lieben es mit jungen Leuten zusammen zu sein, das ist immer interessant. Wir haben auch eine große Familie, das ist für alle schön. Es bereichert und wir machen das gern. Das sind ja meistens lange Tage bei der Competition, wenn unser Gast eine Runde nach der nächsten meistert, dann fiebern wir alle mit. Wir versuchen für unsere Gäste das Umfeld so zu gestalten, dass sie sich voll auf den Wettbewerb konzentrieren können.

Wie wurden Sie denn überhaupt auf die ITBCB aufmerksam?

Ich bin großer Musikfreund und spiele auch selbst Klavier und bin früher immer zum Wettbewerb zum Zuhören hingegangen. Dann habe ich gelesen: »Gasteltern gesucht« und habe gedacht, das ist etwas für mich! Das ist jetzt aber auch schon ein paar Jahre her.

Sie sagten gerade, sie spielen auch selbst. Was ist denn Ihr persönlicher Bezug zu Klaviermusik und haben Sie auch einen besonderen Bezug zu Beethoven?

Ja, Beethoven ist natürlich das Idol unserer frühen Musikstunden gewesen. Also ich habe [früher] selbst auch gespielt, auch recht gut und ich habe gerne Beethoven gespielt. Musik mag ich einfach wahnsinnig gerne und wenn man dann auch Freunde hat, die ebenso gerne Musik machen, umso besser!

Haben Sie auch ein Lieblingsstück?

Ach, was heißt Lieblingsstück, das kann ich so gar nicht sagen. Ich kann Stücke nennen, die ich kenne, die Mondscheinsonate zum Beispiel – das ist vielleicht ein bisschen abgedroschen, aber die ist einfach zu spielen! Einige Beethovensonaten vielleicht noch, und dann ist es natürlich wunderbar, was jetzt die Kiana da gespielt hat in der zweiten Wettbewerbsrunde: »An die ferne Geliebte« von Beethoven und dann in der Fassung von Liszt – finde ich wirklich ganz toll! [Ein Lieblingsstück] kann ich aber ansonsten nicht sagen, ich kann auch nicht sagen, dass ich einen Lieblingskomponisten habe. Ich kann mehr mit Klassik anfangen, als mit modernem – das kann ich sagen – aber sonst wüsste ich jetzt nicht.

Sie genießen Klaviermusik also unabhängig des Komponisten und unabhängig von einem bestimmten Stück?

Ja, genau. Ich gehe gerne in Konzerte.

Wie ist denn bei Ihnen die Woche so aufgebaut, in der Sie einen Gast oder eine Gästin dahaben?

Die kommen an, am Abend vor Beginn des Wettbewerbs, und dann lernt man sich kennen. Ich mache etwas Schönes zum Essen und dann geht es eigentlich auch direkt los mit dem Üben. Sie [Kiana] ist im Grunde genommen den ganzen Tag in der Telekom Zentrale, entweder zum Üben oder zum Vorspielen und abends trifft man sich dann zuhause und lässt den Tag Revue passieren. Dann sind die auch ziemlich erschöpft, das ist ja wahnsinnig anstrengend.

Gibt es denn für Sie bestimmte Routinen, die Sie versuchen einzuhalten?

Ja, also das ist bei jedem anders. Jetzt bei Kiana, die hat ihr eigenes System. Unsere bisherigen Gäste spielten immer morgens. Kiana aber hat sehr viel Wert darauf gelegt, sich das auch einzuprägen und sie hat da verschiedene Methoden. Das hat mich immer sehr beeindruckt! Das hat sie meistens morgens gemacht nach dem Aufwachen und dann hier geübt und dann in der Telekom. Also das kommt immer auf die Teilnehmerin drauf an, die Kiana hatte zum Beispiel ganz spannende Methoden zum Einprägen der Stücke und sie übt natürlich auch fast den ganzen Tag. Morgens bei uns zuhause und danach dann in der Telekom. Je weiter sie kam, desto weniger waren die Aufenthalte zuhause. Wenn sie dann abends kam, dann unterhält man sich noch nett, aber dann ist sie auch fertig! Das ist also schon anstrengend. Vor allem wenn man dann weiterkommt, muss man ja die neuen Stücke – die muss man vorher alle parat haben und auswendig lernen – und sie dann noch aktualisieren. Das ist schon stressig!

Sie sagten gerade, dass es sehr stressig für die Teilnehmer*innen ist. Ist die Zeit des Wettbewerbs denn auch für Sie als Gastfamilie stressig?

Nö, das würde ich jetzt so nicht sagen! Also ich nehme mir natürlich nichts anderes vor in der Zeit, das ist klar. Das würde ich auch nicht schaffen. Ich konzentriere mich darauf und finde das auch ganz wunderbar!

Ich habe gehört, dass eine ehemalige Teilnehmerin, die Sie aufgenommen haben, jetzt in Köln studiert. Haben Sie generell noch Kontakt zu den ehemaligen Teilnehmer*innen?

Ja, die Shan-Chi Hsu. Sie war dann auch danach nochmal hier für ein Wochenende, das fand ich sehr nett.

Das heißt, Sie knüpfen da schon auch Kontakte?

Ja, auf jeden Fall. Die Kontakte bleiben!

Gehen Sie denn auch zum Wettbewerb, wenn Ihre Gästin spielt?

Ja, also wenn mein Gast spielt, gehe ich natürlich da hin! Aber auch wenn nicht, weil ich das einfach auch verfolge. Natürlich jetzt nicht ununterbrochen, dafür habe ich dann keine Zeit, aber eigentlich fast jeden Tag. Wenn sie spielt sowieso und dann höre ich mir auch den ganzen Zyklus an und manchmal auch sonst, wenn ich Zeit habe. So bin ich auch darauf gekommen! Ich bin früher schon zum Wettbewerb und so kam das ja mit den Gastfamilien. Bevor ich einen Gast hatte – ich wusste ja gar nicht, dass es sowas gibt – bin ich vorher auch schon regelmäßig hingegangen.

Zeigen Sie ihren Gästen auch ein wenig die Stadt, machen Sightseeing?

Gestern hat Kiana das Beethovenhaus besucht und hat mit den anderen Teilnehmer*innen zusammen gefrühstückt und heute ist sie im Schumannhaus. Ich habe ihr gesagt, dass sie unbedingt den Kreuzgang des Bonner Münster besuchen soll!  Oder man geht gemeinsam an den Rhein, macht einen Spaziergang. Die Teilnehmer*innen sind ja sonst nur die ganze Zeit drinnen, da tut Abwechslung gut!

Haben Sie ein Geheimnis, oder etwas das sie tun, damit die Wettbewerbsteilnehmer*innen einen möglichst entspannten oder guten Aufenthalt bei Ihnen haben?

Ich habe selbst auch Kinder und Enkel und baue dann schon eine Beziehung zu meinen Gästen auf. Das klingt vielleicht übertrieben, aber man hat sich einfach so gerne, als wären es Töchter. Sie fügen sich gut in die Familie ein, bei meinen letzten dreien war das wunderbar! Shan-Chi, die 2021 bei uns war, spielte dann auch gerne Schach und dann haben wir wirklich auch Schachpartien zusammen gespielt. Das war wirklich lustig – ich habe immer verloren.

Also im Prinzip ist ihr Geheimnis, dass sich Ihre Gäste wie Familie fühlen sollen? Und, dass man gemeinsam auch die Freizeit verbringt?

Ja, natürlich! Und das kommt ja auch zurück, also wie bei „the family of man“, dass eben nicht nur die eigene Familie zählt, sondern wenn man offen ist, alle zur Familie zu zählen, die auch offen sind!

Das hört sich schön an. Dann habe ich auch nur eine letzte Frage: Werden Sie das nächste Mal wieder eine teilnehmende Person bei sich aufnehmen?

Ja, klar! Das würde ich schon gerne machen.


Ein Interview geführt von Luisa Belzer